In der deutschen Volkswirtschaft besteht zurzeit Vollbeschäftigung, und viele Unternehmen haben große Schwierigkeiten, ihre Aufträge mit den verfügbaren Arbeitskräften überhaupt zu bewältigen. Die Ursache liegt im anhaltenden Exportüberschuss, der hierzulande so hoch ist wie nirgendwo sonst auf der Welt. Aber selbstverständlich gibt es auch hier eine Kehrseite der glänzenden Medaille, wie Prof Dr. Frank Westermann von der Universität Osnabrück am Berufskolleg Wirtschaft und Verwaltung Ahaus am 26.03. ausführte. Er referierte zum Thema „Zahlungsbilanzkrisen und ihre Folgen “ im Rahmen der Expertengespräche der Fachschule für Wirtschaft Ahaus und zeigte, welche Bedrohungen von dem Exportüberschuss vor dem Hintergrund der europäischen Zahlungsbilanzkrise ausgehen können.
Professor Westermann, den der Förderverein des Berufskollegs Wirtschaft und Verwaltung Ahaus eingeladen hatte, begann den Vortrag mit einem historischen Rückblick auf ähnliche Krisen und zeigte, dass es in Folge von andauernden Import- oder Exportüberschüssen zwischen verschiedenen Volkswirtschaften immer Krisen gegeben hätte. Ob in Systemen mit festen Wechselkursen oder solchen mit flexiblen Wechselkursen – immer führte ein dauerhaftes Ungleichgewicht irgendwann zur heftigen Wirtschaftskrise.
In der Gegenwart gibt es solche Import- und Exportstaaten innerhalb von Europa, und dies erstmals in einem gemeinsamen Währungsraum: Deutschland exportiert, Italien und Spanien importieren. Aber dort, wo üblicherweise die entstehenden internationalen Schulden auch bezahlt werden müssen, da vermittelt heute die gemeinsame Europäische Zentralbank Überziehungskredite an die nationalen Zentralbanken, die außerdem jahrelang gestundet werden. So können Außenhandelsungleichgewichte – vielleicht dauerhaft – bestehen, ohne dass sie wirklich von den Importeuren bezahlt werden müssen. Dieses Kreditsystem heißt Target 2 und fördert zum einen seit Jahren den Export der deutschen Produzenten innerhalb Europas, schafft aber andererseits ein gigantisches Kreditvolumen, dessen Zahlungsausgleich immer schwieriger wird, je mehr Importe in die Schuldnerländer fließen.
Es wurde schließlich deutlich, dass es keinesfalls sicher ist, wie dieses Problem gelöst werden könnte. Ob es der Europäischen Zentralbank gelingt, im aktuellen Fall die Leistungsbilanzungleichgewichte innerhalb Europas ohne eine Krise zu lösen, das blieb am Ende des Vortrags offen. Wie in der Volkswirtschaft üblich, konnte Westermann sowohl Vertreter für die eher pessimistische und auch für die hoffnungsvolle Perspektive benennen.
Der Abend endete mit einem kleinen Imbiss, an dem viele der offenen Fragen von den Studierenden der Fachschule für Wirtschaft und weiteren interessierten Zuhörern weiter diskutiert werden konnten.
Die Weiterbildung an der Fachschule für Wirtschaft endet mit dem Abschluss staatliche geprüfte Betriebswirtin/staatlich geprüfter Betriebswirt. Anmeldungen für den nach den Sommerferien wieder startenden Bildungsgang sind zurzeit noch möglich. Für weitere Informationen steht Hendrik Brügging als zuständiger Koordinator unter